Mustertheorie – die Website zum Buch
Leseprobe 1
 
aus dem Buch „Mustertheorie”


Vorwort

Der Begriff Muster, der im Titel dieses Buches steht, bedeutet mehr als die Alltagssprache ausdrückt. Er steht symbolhaft für eine neue wissenschaftliche Denkweise, die hilft die Welt besser zu verstehen, und für eine neue Methode zur Gestaltung lebendiger Systeme. Dabei meint das Wort lebendig nicht den biologischen Zustand lebendig im Gegensatz zu tot, sondern eine graduelle Lebendigkeit. Graduell bedeutet, dass man diese Lebendigkeit allen Dingen in mehr oder weniger großem Ausmaß zuschreibt. Ganz fremd ist das auch unserer Alltagskommunikation nicht, wenn wir etwa ein Bild, einen Unterricht oder einen Schulaufsatz als lebendig beschreiben, oder umgekehrt eine Farbe oder eine Stadt als tot. Vielleicht steckt darin mehr Treffsicherheit, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Jedenfalls geht es bei der Mustertheorie um ein umfassendes Konzept für alle Bereiche des Lebens. Je nach Blickwinkel kann man auch die Begriffe Leittheorie, Denkweise, Methode, oder Paradigma verwenden. Dieses Buch gibt eine Einführung, einen Überblick über die ersten Anwendungen und es zeigt Anschlussmöglichkeiten zu anderen Denkrichtungen auf.

Der Urheber der Mustertheorie ist Christopher Alexander, ein zeitgenössischer amerikanischer Architekt. Alexander ist emeritierter Professor für Architektur der Universität Berkeley (Kalifornien), ein bedeutender Systemtheoretiker und Philosoph. Seine Ideen sind aufrüttelnd, denn sie betreffen die Gestaltung der Welt und das ist für jeden Menschen interessant.

Die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme des 21. Jahrhunderts türmen sich in entmutigender Weise. Politiker und andere Verantwortliche bieten keine systematischen Lösungsansätze. Sie tendieren vielmehr dazu, die offenen Fragen schön zu reden oder zu verdrängen. Die Alexander’sche Denkweise bietet dagegen Möglichkeiten zur Lösung dieser Probleme. Jeder kann diese Konzepte verstehen und als Werkzeuge in seinen Interessensbereichen benützen.

Der Umfang der Originaltext erschwert das Verständnis der Mustertheorie. Es sind über 4000 Seiten in Englisch, vorwiegend im Zusammenhang mit Architektur. Diese Bücher entstanden während mehrerer Jahrzehnte, zeichnen eine gedankliche Entwicklung nach und sind daher nicht ganz konsistent. Die Situation hat sich zwar durch das 2002-2005 erschienene Hauptwerk The Nature of Order gebessert, jedoch ist auch dieses Werk in vier Bänden sehr umfangreich. Es ist aber – alleine schon wegen seines einzigartigen Bildmaterials – sehr zu empfehlen.

Das vorliegende Buch enthält in der ersten Hälfte ein kompakte Einführung, die soweit wie möglich von der Architektur abstrahiert und das Konzept für andere Anwendungsbereiche öffnet. Das Ziel ist eine Erleichterung des Einstiegs für den Nicht-Fachmann. Es lohnt sich, einen solchen Zugang zu schaffen, denn kaum ein anderer Denker in der Menschheitsgeschichte hat sich so erfolgreich um eine Theorie des Lebens bemüht wie Christopher Alexander. Sein Werk wartet darauf, verstanden und genutzt zu werden.

Der Autor dieses Buches kam mit dem Thema ab dem Jahr 2000 in Berührung. Zunächst in der Softwareentwicklung mit den software design patterns, einer frühen Anwendung der Alexander’schen Mustertheorie. Dann folgte die Beschäftigung mit Wiki, einer Erfindung von Ward Cunningham zum kollaborativen Schreiben im Internet. Dieses Internet-System ist durch das Wikipedia-Projekt bekannt geworden und eng mit den Ideen Alexanders verknüpft. Manche frühen Eindrücke aus dieser Zeit finden sich in einem Beitrag zum FastBook 2 Online-Communities, Weblogs und die soziale Rückeroberung des Netzes. Bei der jahrelangen Beschäftigung mit Online-Communities zeigte sich dann, dass Internet-Gemeinschaften vorwiegend mit Hilfe der Mustertheorie verstanden werden können.

Parallel zur Beschäftigung mit dem Werk Alexanders wuchs der Bedarf, die Mustermethode effizienter in Gemeinschaft mit Freunden und Projektpartnern für verschiedene Zwecke anwenden zu können. Das Fehlen eines Einführungstextes erwies sich dabei als Hindernis. Einige im Internet entstandenen Texte waren geeignet, bestimmte Aspekte zu beschreiben und Interesse zu wecken. Jedoch, eine Gesamtdarstellung konnten sie nicht ersetzen. Schließlich entstand die Idee, eine Einführung in handlicher Form zu schreiben.

Die Verallgemeinerung und Verdichtung der Mustertheorie auf engem Raum ist gewagt. Es besteht zwar die Chance auf zusätzliche Klarheit und die Möglichkeit, mit einem kurzen Text mehr Leser zu erreichen. Genauso besteht aber das Risiko unzulässiger Vereinfachungen. Der vorliegenden Text soll daher von vorneherein als Interpretation aufgefasst werden, die in bester Absicht entstanden ist, aber nicht in jedem Detail Alexanders Argumenten oder Haltungen folgen kann.

Ich danke dem Verlag Nausner & Nausner, vor allem Peter Nausner und Christian Eigner, für das Vertrauen in der frühen Projektphase, für die Ermutigung und die Ermöglichung des Projektes sowie Esther Nausner und Elisabeth Payer für die verlagsinterne Betreuung und den Satz. Mein weiterer Dank gilt den lieben Menschen, die mir online und offline durch Diskussionen, Kritik und Anregungen bei den Gedanken zu diesem Buch geholfen haben, besonders Christian Eigner, Florian Heiler, Thomas Kalka, Thomas Leitner, der Lektorin Christine Maitz, Franz Nahrada, Peter Nausner, Jascha Rohr, Nikos Salingaros, Hermann Schaller, Sunir Shah und Norbert Witternigg. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie mit allem Geschriebenen übereinstimmen oder für Fehler mitverantwortlich wären. Besonders danke ich meiner Frau Eva Leitner für den Großteil der Korrekturarbeit und für das Verständnis, dass ich viel Zeit in dieses Buch gesteckt habe.

Helmut Leitner, Graz, September 2007.


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© Helmut Leitner zuletzt geändert: August 17, 2016